Paul Dinter berichtet vom North Lake Enduro

DinterP_020Beeindruckt von seinem ersten Enduro Rennen, berichtet Paul Dinter vom cycletec-Centurion MTB Team in einem persönlichen Renn-und Erfahrungsbericht von seinem ersten Enduro Rennen. Paul startete beim Scott North Lake Enduro Rennen, der in die Gesamtveranstaltung des Bikefestivals in Riva eingebettet war.
Freitag
5:30 Uhr, grade noch davon geträumt, wie ich Anlieger in Explosionen von Staub und Erde zerstöre und deutlich schneller als in Realität unterwegs bin, klingelt das Handy. Axel Specht und mein Vater, Thomas Dinter, stehen vor der Tür um mich und mein Rad einzusammeln. Es geht nach Riva del Garda zum Bike Festival, wo Axel und mein Vater im Marathon für das cycletec-Centurion MTB Team powered by Connex starten und ich mich zum ersten Rennen meiner „Karriere“ angemeldet habe, dem Scott North Lake Enduro. Über eine Gesamtdistanz von rund 40 Kilometer und 1700 Höhen- und Tiefenmeter sind fünf sogenannte Stages, die zeitlich gewerteten Downhill-Segmente und die jeweiligen Transferstücke zum Start der Stages zu bewältigen.

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In Innsbruck hatten wir schon Schneeregen, auf dem Brenner fanden wir einen wahrlichen Schneesturm mit bereits 20 bis 30 cm Neuschnee vor. Hätten wir vielleicht besser Ski und Snowboard eingepackt? Die Stimmung war im Angesicht der Wetterlage auf jeden Fall weit von Enthusiasmus entfernt. Immerhin war die Vorhersage für Samstag und Sonntag in Riva Sonnenschein, also Daumen drücken! Je näher wir Riva kamen, desto mehr wurde aus Schnee Schneeregen, dann Regen und letztlich ließ auch der Regen nach und wir erreichten Riva bei starker Bewölkung, aber trocken. Immerhin.
Nach einer klasse Pizza in einer wirklich unscheinbaren Pizzeria in Riva machten wir uns auf den Weg zur Bike-Expo. Die Messe ist zwar bedeutend kleiner als die Eurobike, aber ich muss sagen, dass sie mir deutlich besser gefallen hat. Trotz der Größe sind jede Menge namhafter Hersteller vertreten, vor allem jedoch hat die Messe ein total persönliches Flair, eine Messe von Mountainbikern für Mountainbiker!

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Gegen 18 Uhr kamen dann auch Nikolai Holder (Niko), Sebastian Dörr und Sebastian Marx (Sam), drei Freunde von mir aus Innsbruck, die sich spontan auch zum Enduro angemeldet hatten, in Riva an. Auch für die Drei war das Rennen ihr jeweils erstes. Unser Motto war ganz klar: Nicht Letzter werden. Gemeinsam holten wir unsere Startnummern ab und besuchten das Riders Briefing. Neben allgemeinen Infos erblickten wir hier das erste Mal eine Karte der Rennstrecke. Die Strecke befand sich im Umkreis des Monte Varagna. Der Start war in Brentonico, welches wir per Shuttle erreichen würden.

Samstag – Training
6 Uhr, Gott, schon wieder so früh aufstehen! Axel und mein Vater mussten um viertel vor 8 für den Start des Marathon in Riva sein und auch für uns Jungs hieß es, 8 Uhr am Parkplatz anrollen, um für das heutige Training nach Brentonico geshuttelt zu werden. Immerhin hielt der Wetterbericht, was er versprochen hatte, keine Wolke am Himmel, ein wahrer Bluebird-Tag.

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Nach unserem ersten etwa 20-minütigen Transfer von Brentonico aus erreichten wir den Start der ersten Stage. Stage 1 hatte ein bisschen den Charakter einer XC-Runde. Nach mehreren abartigen Gegenanstiegen zu Beginn verlief die Strecke über einen recht flowigen Trail. Dennoch wurde mir am Ende der ersten Stage erst wirklich bewusst wie anstrengend das Wochenende werden würde.
Der Transfer zu Stage 2 gestaltete sich als Querung, um die nördliche Flanke des Gebiets zu erreichen. Stage 2 machte richtig Spass. Flowig und nicht zu technisch, mit schnellen Stücken auf super schmalem Trail. Die zweite Stage ließ allerdings schon erahnen was uns für den restlichen Tag erwarten würde: Gardasee-typische Ruppigkeit, Steine, Felsen, loses Geröll und noch mehr Felsbrocken verteilt auf jede Menge Stufen.

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Nun erwartete uns der längste Transfer des Rennens. Zwei Stunden auf der Straße unterhalb der markanten Felskante über Torbole in der prallen Sonne rauftreten. Hier würden mir jetzt wohl einige widersprechen, aber ich finde das dieser meditative Zustand, den man auf solch langen Uphills erreicht, etwas für sich hat. Trotzdem war auch ich ausgesprochen froh als ich das Starthäuschen von Stage 3 endlich erspähen konnte. Stage 3 stellte sich deutlich anspruchsvoller heraus als die beiden vorausgegangenen Stages. Die Stage war steiler, nochmal rauer, teilweise ein einziger Rockgarden mit steilen engen Kurven. Im Ziel angekommen fühlten sich meine Arme und Beine wie flüssiges Feuer an. Wie sollte das nur morgen im Renntempo werden?

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Zu Stage 4 mussten wir einen Forstweg mit losem, sandigem Untergrund in konstantem Auf und Ab fahren. Der Start von Stage 4 lag etwa auf halber Höhe des Transfers zu Stage 3. Hier würde sich am morgigen Renntag auch die Verpflegungsstation befinden. Die Verpflegungsstation hätten wir auch heute schon gebraucht. Langsam machte sich Erschöpfung breit, immerhin hatten wir schon gute 1300 Höhenmeter auf Enduro Bikes zurückgelegt. Aber es half ja nichts, also Stage 4 auf ging’s! Die obere Hälfte der vierten Stage war nochmal anspruchsvoller als Stage 3 und richtig sketchy. Enge, steile Kurven mit großen Stufen und lauter fußballgroßen Steinen, die man umschiffen musste (oder besser sollte). Die ganze lose, vom Regen am Vortag leicht feuchte und aufgewühlte Erde machte die Sache nicht einfacher, Grip war Mangelware. Nachdem der obere, für mich wirklich fordernde Teil bewältigt war, wurden wir in der zweiten Hälfte mit schnellem flowigen Singletrail belohnt, der für die letzten Meter bis zum Ziel der zweiten Stage entsprach.

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Endlich! Der letzte Uphill des Tages zu Stage 5. Mit mittlerweile ziemlich schweren Beinen kurbelte ich nochmal 20 Minuten bergauf. Sam, Sebastian und Niko hatten nach Stage 4 das Handtuch geschmissen (oder wie sie es nannten, zum Beine für morgen schonen, ich höre auf jeden Fall Ausreden) und machten sich auf die Suche nach Foccacias vom Lidl in Torbole und einem Gelato. Stage 5 startete mit einem kleinen Drop, gefolgt von einigen Kurven in losem Kies. Anschließend war Stage 5 entspanntes Ausrollen zum Ziel in Bausatte oberhalb von Torbole – bis auf eine Schlüsselstelle, bei der ich auch gleich mal den Vorderausgang nahm, ein Steilstück mit kniehohen Felsstufen. Also nochmal hoch und anschauen, ob es eine andere Line gibt. Und siehe da, ich war rechts gefahren, doch links gab es eine immer noch anspruchsvolle, aber besser fahrbare Line.
Vor allem Stages 3 und 4 waren bedeutend schwerer als alles, was ich bis dato in meiner noch jungen MTB-Karriere gefahren bin. An vielen Stellen bin ich mit dem Gedanken „Augen zu und durch“ gefahren. Nicht groß gucken was mich erwartet, sondern einfach rein rollen, Lenker gut festhalten und hoffen, dass ich heile und noch auf meinem Rad unten ankomme. Entsprechend gemischt waren meine Gefühle für den nächsten Tag. Einerseits hatte ich richtig Bock auf racen, mich gegen andere Fahrer zu messen und den ganzen Tag mit meinen Freunden auf dem Bike unterwegs zu sein. Andererseits war ich zweifelsohne besorgt, dass ich die Strecken wieder fahren muss – das auch noch (hoffentlich) schneller als heute – und mich dabei nicht verletzen will.
Abends war die allgemeine Erschöpfung groß und nach dem obligatorischen Fachsimplen über die Stages von heute gaben wir uns alle eher früher als später dem komatösen Schlaf hin.

Sonntag – Rennen
Täglich grüßt das Murmeltier, ne? Oder in unserem Fall der Wecker. Um 5:30 Uhr. Wie auch an den Tagen davor stellte sich weniger das Aufstehen, sondern viel mehr das Frühstücken um diese Uhrzeit als Herausforderung dar. Mit schon gar eisernem Willen würgte ich mir mein Müsli herunter. Wie könnte mich der bevorstehende Tag da noch aus der Ruhe bringen?

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Es galt um 7:30 Uhr für die Transponderausgabe und das Verladen der Bikes am Shuttleparkplatz zu sein. Leider war unsere Gruppe auf zwei Shuttlebusse aufgeteilt, sodass wir in Brentonico noch eine halbe Stunde aufeinander warten mussten. Wir dachten, dass wäre nicht weiter ein Problem – bis wir den Start zu Stage 1 erreichten. Am Starthäuschen zu Stage 1 hatte sich ein wahrhafter Stau aus Startern gebildet. Am Ende mussten wir fast 45 Minuten warten bis wir endlich starten konnten. Natürlich waren wir bis dahin vollkommen abgekühlt und entsprechend schwer fiel uns Stage 1. Aus absolutem Kaltstart los sprinten und den ersten Gegenanstieg raufradeln, oder wie in meinem Fall rennen (Schande über mein Haupt), war alles andere als angenehm. Nach den ersten Meter schlug mir das Herz bis zum Hals, meine Lunge brannten und meine Oberschenkel zitterten. Im Ziel angekommen hatte ich Zweifel, wie ich den Tag überstehen sollte. Immerhin war davon auszugehen, dass sich das Feld nun verteilt hatte und wir an Stage 2 nicht mehr warten müssten.


Wie erwartet konnten wir bei Stage 2 gleich ohne langes Warten durchstarten. Die Stage lief für uns alle reibungslos und machte genauso viel, wenn nicht sogar mehr Spass als am Vortag. Auch wenn ich in Retrospektive viel zu zurückhaltend gefahren bin und mehr von den Bremsen hätte lassen müssen. Nächstes Jahr vielleicht …
Der Transfer zu Stage 3 stellte sich trotz des anstrengenden Vortrags als nicht so schlimm wie erwartet heraus, meine Beine fühlten sich sogar besser als am Vortag an. Definitiv ein befriedigendes Gefühl, wenn sich das Training vom Winter auszahlt. Stage 3 hingegen lief für mich weniger erfolgreich. Schon in den ersten Minuten der recht langen Stage (5-8 Minuten) hatte ich mit brennenden Oberschenkeln, Arm Pump und ermüdenden Händen zu kämpfen, auch der Grip am Hinterrad ließ zu wünschen übrig. Fokussiert und getrieben von der Sorge überholt zu werden, dachte ich darüber nicht weiter nach. Erst im Ziel stellte ich fest, dass der Climb Switch meines Dämpfers noch umgelegt war. Ich Idiot, so ein Anfängerfehler. Zusätzlich stürzte ich etwa in der Mitte der Stage auch noch. Auf ein mehrere Meter langes, ausgewaschenes und mit Wurzeln durchzogenes Steilstück folgte eine scharfe Linkskurve in losem Schotter. Um nicht auszugleiten, nahm ich in der Kurve den Fuß vom inneren Pedal – und blieb mit dem Anderen an einem Stein hängen. In Folge verriss es mir den Lenker und ich segelte vorne hinaus. Nichts weh getan, also sprang ich direkt wieder aufs Rad um weiter zu fahren, stellte auf den ersten paar Metern aber gleich fest, dass sich mein Lenker verdreht hatte. Wieder runter vom Rad, Vorderreifen zwischen den Beinen eingeklemmt, versucht alles wieder zu richten und dabei natürlich die ganze Zeit gehorcht, ob gleich wer um die Kurve gedonnert kommt und mich überholt.

Zumindest die Schmach des Überholtwerdens blieb mir erspart.
Ich muss eingestehen, dass ich schon ganz schön platt war als wir Stage 4 erreichten, da kam die Verpflegungsstation mit Kuchen und Obst nur recht. Aber auch wieder gestärkt hatte Ich Bammel vor Stage 4, die mir vom Vortag als anspruchsvollste und steilste Stage in Erinnerung geblieben war. Entgegen meiner Erwartung lief der obere Teil dann jedoch ziemlich flüssig, das Training vom Vortag zeigte seine Wirkung. Doch dann passierte mir ein Malheur. Zuerst fiel es mir nach einem Drop nur als ein „Klonken“ aus der Gegend meines Vorderrads auf und ich nahm an meine Gabel sei durchgeschlagen, nicht weiter dramatisch. Doch beim nächsten Drop wieder, klonk. Jetzt wurde ich misstrauisch, auch meine Lenkung fühlte sich schwammig an. Da dämmerte es mir und ich hielt kurz an um meinen Verdacht zu bestätigen. Tatsache, mein Vorderrad hatte einen Großteil seiner Luft eingebüßt! Vermutlich hatte ich meinen Vorderreifen vorher irgendwo geburpt. Ich muss so ungünstig über einen Stein gerollt sein, dass zwischen Felgenhorn und Reifenwulst die Luft aus meinem Tubelessaufbau entwich.

Aufgeben wollte ich jetzt aber auch nicht, ein bisschen Luft war auch noch drin, also dachte ich mir: **** auf die Felge, ich bin hier zum Rennen fahren, nicht zum Material schonen, das geht schon! Für die letzte Hälfte der Stage gab ich mir allerdings deutlich mehr Mühe mit der Linewahl als sonst. Ich pflügte nicht – wie ich das schändlicherweise sonst mache – auf Gedeih und Verderben in der Straight Line über jedes Steinfeld, sondern gab mir bewusst Mühe eine saubere Linie zu fahren. Siehe da, ich fand mehr Flow als am Vortrag und Stage 4 wurde trotz des Anhaltens und des im restlichen Abschnitts gedrosselten Tempos zu einer meiner relativ besten Zeiten. Vielleicht sollte ich meine Fahrweise mal überdenken …
Nachdem mein Vorderreifen wieder aufgepumpt war und ich sichergestellt hatte, dass die Felge alles schadenfrei überstanden hatte, machten wir uns auf die letzte halbe Stunde Transfer zu Stage 5. Stage 5 präsentierte sich als ein gelungener Abschluss. An der Stelle, bei der ich am Vortag gestürzt war, hielt ich mich diesmal links und blieb Gott sei Dank auf dem Rad, wenn auch nur knapp. Nach gut sieben Stunden rollte ich um vier Uhr zufrieden und erschöpft durchs Ziel in Bausatte.

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Glücklicherweise erreichten auch Sam, Niko und Sebastian gesund und ohne Materialschäden das Ziel. Eigentlich ein Wunder, wenn man Sams Rad mal gesehen hat. Auch unseren Vorsatz, dass keiner Letzter wird, konnten wir umsetzen. Sam wurde 37ter, ich 35ter, Niko 33ter und Sebastian respektabler 28ter von den 39 Starten in der Altersklasse Men. Klar, 35ter ist sicherlich nicht berauschend, aber ich bin trotzdem super glücklich heil angekommen zu sein und mein Eindruck ist, dass die Selbstselektion der Teilnehmer beim Scott North Lake Enduro sehr hoch ist. Hier hin verirren sich wirklich nur erfahrene und fitte Biker, die schon das eine oder andere Rennen auf dem Buckel haben. Das Rennen gewonnen hat übrigens der EWS (Enduro World Series) Profi Jerome Clementz, gefolgt von Factory Ridern von GHOST und CUBE. Jerome Clementz brauchte etwas mehr als 18 Minuten für alle 5 Stages, ich 28. Schon etwas erschreckend, wie viel schneller die Profis sind, aber ich bin motiviert nächstes Jahr zumindest etwas näher dran zu fahren. Auch die restlichen Platzierungen in der Top 10 gingen an gesponserte Factory Rider – das sagt ja schon einiges über die Konkurrenz bei dem Rennen.
Den Veranstaltern möchte ich noch ein Kompliment für die professionelle Organisation und den reibungslosen Ablauf des Rennens machen.

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Abschließend bleibt nur zu sagen, dass bei Rennen antreten eine geile Erfahrung ist. Auch wenn ich (noch) keine Chance auf eine Platzierung habe, ist es doch das beste Training. Für fahrerisches Können, aber vor allem auch für das Selbstbewusstsein. Man fährt Passagen, die man für gewöhnlich umgehen würde und stellt fest, dass man es ja eigentlich doch kann, wenn man es denn nur wagt.
Für die restliche Saison werde ich versuchen den einen oder anderen Nachmeldeplatz bei der Enduro One Serie zu ergattern. Aber eins ist mal klar: 2018 melde ich mich als Serienstarter bei der Enduro One an und auch der Gardasee hat mich nicht das letzte Mal gesehen!

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